Alarmzeichen «No Shows» – Ist man in Basel «fussballmüde»?

    (Zu) viele Dauerkarten-Besitzer/innen kommen nicht zu jedem Spiel ins Stadion

    Der Dauerkartenverkauf 2018/19 beim FCB erlitt einen Einbruch. Schlimmer jedoch ist die hohe «No Show»-Rate von rund 30 Prozent. Zuletzt war ein schwacher Besuch (18’000 Fans) beim «Nati»-EM-Qualifikationsspiel gegen den stärksten und attraktivsten Gruppengegner Dänemark Anlass zu Diskussionen. Was ist los in Basel? Macht sich in der ehemaligen Schweizer Fussballhochburg eine «Fussballmüdigkeit» breit?

    (Bilder: Bilddatenbank Basel-Stadt) Der St. Jakob Park – sind die Matchbesuche für die Fans weniger attraktiv als noch vor Jahren?

    Fast zwei Jahre ohne Titelgewinn für den FC Basel, viele Heimspiele mit relativ überschaubarem Unterhaltungswert und eine latent spürbare Identifikationskrise bei einem Teil der hiesigen Fussball-Interessierten: Diese Aspekte gehören zu den Hauptgründen, warum der FC Basel eine relativ «neue Herausforderung» vor der Brust hat – die «No Show» Rate von rund 30 Prozent. Das sind im Schnitt knapp über 7800 Personen, die pro Partie nicht ins Stadion kommen, obwohl sie als Saisonabo-Besitzer/innen eigentlich eine Eintrittskarte besitzen. Die «No Shows» gelten in der Regel als Alarmzeichen für jeden Club. Diese «No-Show-Quote» wurde folglich lange Zeit nicht kommuniziert, sofern keine direkte Anfrage zu diesem Thema kam.

    Enttäuschte «Mode Fans» und Identifikationsprobleme?
    Die Vorgeschichte: Die Ticketeinnahmen beim FCB sind rückläufig und im Vergleich zum letzten Meisterjahr von 28,5 Millionen auf 26,74 Millionen Franken gesunken. Seit 2014 gingen die Zuschauerzahlen leicht, aber stetig zurück. Ebenso verkauften die Basler in der Tendenz leicht weniger Jahreskarten. Zuletzt waren es 21’157. Diese Saison erfolgte ein Einbruch, bei dem erstmals seit 2007 (19’965 Jahreskarten) die 20’000er-Marke unterschritten wurde. Die Gründe sind vielseitig: Einerseits springen viele so genannte «Mode Fans» ab, weil die Spiele und die Spannung im Kampf um die Meisterschaft nicht mehr so packend sind. Zudem ist ein latent vorhandenes Identifikationsproblem mit gewissen strategischen und sportlichen Entscheidungen des Clubs nicht weg zu leugnen. Auch die Absenz von der Champions League-Bühne und zuletzt sogar die erste Nicht-Qualifikation für einen Europäischen Wettbewerb – das ist seit 17 Jahren nicht mehr passiert – haben Spuren hinterlassen. Die Anspruchsgruppen des FCB, die aktuell den Weg in den St. Jakob Park finden, sind heterogener als je zuvor. Identifikationsbildende Massnahmen und «Retention Marketing» sind nun gefragt. Eine Task Force soll nun die Hintergründe herausfinden, die vielleicht nicht nur bei den zum Teil eher mässigen Vorstellungen liegen könnten. Ganz anders sieht es beim grossen Rivalen, dem BSC Young Boys aus. Dieser hat seinen Saisonkartenabsatz um satte 7000 Abonnenten gesteigert.

    (Bild: JoW) Der FC Basel und die grosse Liebe der Stadt zum Club. Bekam diese Liebe in den letzten zwei Jahren Kratzer? Die «No Show»-Rate von knappen 30 Prozent ist aber nicht nur diesem Umstand geschuldet.

    Viele Saisonabo-Besitzer sind keine traditionell-puristische Fans
    Wie kommt es aber grundsätzlich zu den «No Shows» in den Stadien? Dieses Phänomen wurde schon vielfach untersucht, denn es ist ein Problem, das überall und in allen Ligen auftreten kann. Auch in jener, die man hierzulande traditionell speziell genau verfolgt, besonders seitdem so viele Schweizer zu den Topspielern gehören: der Deutschen Bundesliga. Dort ist «No Show» auch zu einem Problem geworden. Dominik Schreyer, Junior-Professor für Sportökonomie an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Düsseldorf, forscht dazu und äusserte sich in diversen Interviews mit der Fachpresse. Sein Ansatz fängt damit an, dass die Stadien Anfang des Jahrtausends viel mehr als Eventlocations konzipiert wurden. Das hatte viele Gründe – einerseits waren es Vorgaben der Uefa und Fifa, andererseits wollen Stadionbetreiber eine Mehrfachnutzung etablieren. Stehplatzblöcke verschwanden teilweise oder gar ganz, das Fassungsvermögen der einst ausladenden Beton-Arenen schrumpfte. Deswegen wurden nur noch wenige Stadien für 70’000 Leute errichtet, sondern eher mehr für 30’000 bis 40’000. Die Folge: Der Zuschauer konnte sich nicht immer sicher sein, er werde an der Tageskasse schon noch ein Ticket bekommen und könne spontan entscheiden, ob er zum Fussball wolle. Die Dauerkarte wurde eine Art Versicherung und es etablierte sich eine Mentalität die so beschrieben werden kann: «Ich kann jedes Spiel sehen, muss es aber nicht». «Das sind die heutigen No-Shows», sagt Dominik Schreyer in seinen Interviews. Nicht alle Dauerkartenbesitzer würden wirklich jedes Heimspiel ansehen. Früher gaben viele ihre Karte dann eben im Bekanntenkreis weiter, so Schreyer. «Heute ermöglichen die Vereine den unkomplizierten Austausch über von ihnen eingerichtete elektronische Börsen. Freie Sitze machen sich nicht gut im Fernsehbild. Sogar bei ausgebuchten Clubs kommen pro Heimspiel kurzfristig Hunderte Eintrittskarten in den freien Verkauf.» (Quelle: Merkur.de und diverse andere). Natürlich spielt auch die Tatsache der Existenz der vielen Mode-Fans eine Rolle: Jene, die sich die teuren Saisonkarten kaufen können, leisten sich auch ab und zu ein «No Show», weil es «nicht weh tut». Für «traditionell-puristische» Fussballfans wäre ein solches Verhalten nur in ausserordentlichen Fällen denkbar. Viele «No Shows» gründen aber auch auf den Fakt, dass gewisse Dauerkarten-Besitzer/innen gleich mehrere Saison-Abos besitzen und diese gezielt für Netzwerk-Zwecke einsetzen und somit selektiv zu den Spielen gehen.

    Fahnenmeer und Begeisterung – So soll es bald wieder aussehen, wenn die «Nati» in Basel auftritt.

    Verwöhntes «Nati»-Publikum und ungünstige Spielansetzung
    So viel zum Thema «No Shows» in Basel und anderswo und deren Gründe. Es steht aber auch eine weitere Frage im Raum: Sind die Fussballfans in der Region vielleicht doch «fussballmüde» geworden? Diese Diskussion kam auf, als nun letzte Woche ein für Basel äusserst bescheidener Zuschaueraufmarsch für ein bedeutendes Länderspiel registriert wurde. Knapp 18’300 Fans kamen ins Stadion und dies sorgte landesweit für Polemik. Gewiss sind Gründe auszumachen, die einleuchten: Das Spiel fand an einem Dienstagabend um 20.45 Uhr statt, weil die Uefa aufgrund der Zentralvermarktung der Qualifikationsspiele die Hoheit über die Anspielzeiten hat. Gerade für Familien waren der Wochentag und die Anspielzeit ungünstig. Der Spielort war am nordwestlichen Rand der Schweiz, in einer Stadt, in der die Leute vorab einen Klub lieben: den FCB. Ausserdem ist man in Basel verwöhnt mit attraktiven Entscheidungsspielen der «Nati». Ein Platz auf der mittleren Haupttribüne kostete 100 Franken, einer auf der Gegentribüne bis zu 70 Franken. Die günstigsten Tickets waren Hintertor-Plätze für 30 Franken. Kinder bis 16 Jahre profitierten nur hinter dem Tor von einer Vergünstigung von 15 Franken. Von Verbandsseite wurde kommuniziert, dass Dänemark ein guter Gegner sei, aber nicht eine Strahlkraft und Wirkung erzeuge wie Deutschland, Argentinien, England, Brasilien oder Italien. Ausserdem war es erst der zweite Match einer «verwässerten» EM-Qualifikation, in der bei vielen das Gefühl vorherrsche, dass die Schweiz wohl locker die EM Qualifikation schaffen werde. Fazit: Es war in der Wahrnehmung der meisten Fussballinteressierten ein «ganz normales Spiel» in einem übersättigten Markt. Klar war auch, dass man dennoch wegen des Gegners mit rund 25’000 Stadionbesucher/innen gerechnet hatte und sich gegen eine Austragung in kleineren Stadien wie in St. Gallen und Luzern entschied. Fazit: Basel ist zwar etwas «fussballmüde», aber die Gründe für den mangelhaften Besuch von Fussballspielen in Basel liegen eher mehr in den Begleitumständen.

    JoW

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