Nicht nur Basel-Stadt leidet…

    Die «Hitzeforschung» hat wieder Hochkonjunktur – Nicht nur in der Stadt hat uns die Hitze im Schwitzkasten

    Die Hitzewelle ist eine Herausforderung für Stadt und Land. Die höchste Gefahrenstufe, die Ende Juni/Anfang Juli 2019 ausgerufen wurde, betrifft nämlich nicht nur die Stadt Basel, sondern auch die umliegende Agglomeration.

    (Bild: JoW) In Arlesheim bekamen die Mitarbeitenden der Gemeindeverwaltung nachmittags hitzefrei.

    In der Gemeinde Arlesheim wurde der Gemeindeverwaltung bereits hitzefrei gegeben und die Öffnungszeiten wurden so angepasst, dass die Schalter nur noch morgens geöffnet sind.

    Auch wenn die Hitzeforscher und Fachpersonen bestätigen, dass in der Regel in Stadtgebieten aufgrund der weniger ausgebreiteten Grünzonen, der nicht ausreichenden Luftzirkulation in diversen Quartieren und der versiegelten Teerstrassen und andere grössere Flächen intensivere Wärmeinseln entstehen, so bleibt die Agglomeration auch nicht verschont von Wärmeinseln. Wo überbaute Flächen mit wenig Grün stehen, sammelt sich Hitze an, die durch mangelnde Zugluft auch kaum abgeführt werden kann.

    In unseren Interviews mit Prof. Dr. rer. nat. Eberhard Parlow vom Departement Umweltwissenschaften der Uni Basel (emeritiert) und Dr. Sven Kotlarski vom Institut f. Atmosphäre und Klima der ETH Zürich, erfuhren wir, warum die Städte von Hitzeperioden härter getroffen werden als ländlichere Gegenden: Die Luftzirkulation, der Wärmestrom und die Verdunstung findet in den Städten nicht so wie auf dem Lande statt und es entstehen so genannte «Wärmeinseln». Auch die Bedeutung städtebaulicher Massnahmen mit Bepflanzungen asphaltierter Regionen und die Notwendigkeit einer guten Durchlüftungsmöglichkeit in der Stadt sind entscheidend, wie sich Hitze festsetzen kann. Eberhard Parlow nimmt diesbezüglich in einigen Interviews und in Gesprächen mit unserer Redaktion eine kritische Haltung ein. So sagte er bereits vor zwei Jahren, dass eine geeignete Stadtplanung und Architektur entscheidend sei und extremen Auswirkungen des Wetters entgegenwirken könne. Und er präzisierte: «Das wird heute zum Teil getan, aber in der Architektur sind diese Rahmenbedingungen noch kaum angekommen. Heute wird in Glas gebaut und das heizt sich auf – es entsteht ein Treibhauseffekt. Da hilft es auch nicht, wenn Architekten dauernd predigen, man habe alles im Griff – die müssen in diesen Gebäuden ja nicht selber wohnen. Die Wohnungen heizen sich tagsüber auch auf und die nächtliche Abkühlung reicht nicht mehr aus, um die Sache auszugleichen. Das hat auch einen Einfluss auf das Hitzeempfinden der Menschen im Stadtgebiet.»

    (Bild: Bilddatenbank Basel-Stadt) Wasser und Verdunstung – wichtig bei Hitzeperioden

    Die Schweizer Städte wurden ja ursprünglich nicht so geplant, um auf Hitzeperioden ausgerichtet zu sein. Einige Städte arbeiten derzeit an einem Masterplan, um der Situation Herr zu werden. Es geht in erster Linie um die Verhinderung von «Wärmeinseln» innerhalb der Städte, um grossflächigere Begrünung für eine bessere Verdunstung und mehr Schatten sowie um das Problem der «Entsiegelung». Versiegelte Strassen zum Beispiel geben die einmal gespeicherte Wärme während Stunden ab. Zudem können sie Feuchtigkeit im Boden nicht via Verdunstung abgeben. Bei der Verdunstung aber wird der Umgebung Energie, also Wärme entzogen. Versiegelte Böden haben aber nicht nur bei grosser Sonneneinstrahlung Nachteile: Bei intensiven Regenfällen, die sich mit dem Klimawandel tendenziell ebenfalls häufen können, hemmen sie die Versickerung. Das belastet die Kanalisation und erhöht das Überschwemmungsrisiko.

    Die Stadtplanung in mediterranen Gegenden ist nicht umsonst grundlegend anders: Mehr schattige Gassen, Durchlüftungszonen, hellere Gebäude, weniger versiegelte Teerböden, mehr begrünte Fassaden… das sind nur einige der offenkundigen Unterschiede. Das sind aber längst nicht alle Herausforderungen, die auf eine Stadt wie Basel warten, wenn eine Hitzewelle auf uns zukommt.

    «Die Produktionsleistung der arbeitenden Bevölkerung lässt nach»
    Die Folgen von Hitzewellen in Städten aber auch in den Gemeinden rund um den Stadtgürtel sind vielfältig. Dr. Eberhard Parlow hebt einige Punkte heraus: «Die Produktionsleistung der arbeitenden Bevölkerung lässt in der Regel nach, ebenso die Konzentrationsfähigkeit, was zu Fehlern bei der Arbeit führt.» Meist bleiben die Folgen im grünen Bereich, so Parlow, aber es kann auch zu schwerwiegenden Konsequenzen führen bei Arbeiten, die lebensentscheidend seien wie jene in Spitälern oder im Verkehrswesen. Innerhalb der Betriebe könne man zwar mit Klimaanlagen gegensteuern, aber diese seien bei uns nicht so verbreitet wie in den USA, Japan oder vielen mediterranen Ländern. Dies sei aber auch gut so. «Andererseits lässt sich das Problem für den menschlichen Organismus nicht komplett lösen, wenn der entsprechende Mensch nachts bei hohen Temperaturen von über 22 °C schlafen muss. Ein Schlaf bei hohen Temperaturen (man geht dabei von einem Wert von ca. 21 °C aus) ist nicht sehr erholsam und der Mensch wacht morgens gestresst auf, was seine Anpassungsfähigkeit am Folgetag erschwert.»

    (Bild: pixabay) Arbeiten im Freien an Hitzetagen; da lässt die Arbeitsleistung nach

    Experten und Forscher sagen voraus, dass wir in Zukunft vermehrt wieder Hitzeperioden erleben und besonders in den mittelgrossen Agglomerationen und Grossstädten einige Folgen zu erwarten sein werden. Nach 2003 mit dem wärmsten Monat (August 2003), den die Region seit 1755 erlebt hat, hatten wir in den letzten vier Jahren wieder längere Phasen mit sehr hohen Temperaturen. Dabei sei – so per Definition der Fachleute des Ausdrucks Hitzeperiode – der einzelne sehr warme Tag nicht so entscheidend, sondern mehr die Sequenz von heissen und immer heisser werdenden Tagen. Dabei ist die Perzeption, also der eigene empfundene Eindruck drückender Hitze bei aufeinander folgenden Hitzetage in den Städten heftiger ist als auf dem Lande.

    Arbeit in Hitzeperioden: «Siesta» einführen
    Und was empfehlen die Experten bezüglich Verhaltensweisen, Arbeitseinteilung und so weiter bei Hitzewellen speziell in Metropolen und mittelgrossen Städten? Viel Trinken, und zwar mindestens mind. 3 Liter ist das Motto. Dies ermögliche die Verdunstung auf «vollen Touren». Ausserdem solle man die Wohnungen tagsüber abdunkeln, um die Strahlungsenergie draussen zu belassen und grosse physische Belastungen um die Mittagszeit und den frühen Nachmittag vermeiden und eher auf den Abend oder frühen Morgen verschieben. Eberhard Parlow: «Der menschliche Organismus ist so gebaut, dass er bei den auf dieser Erde vorkommenden meteorologischen Bedingungen weitgehend überleben kann. Da er seine Körperinnentemperatur auf 37 °C bei geringer Abweichung von ca. 0.5 °C halten muss, besitzt er Möglichkeiten, das zu tun. Jeder Verdunstungsprozess ist mit einem erheblichen Energieaufwand verbunden. Während der Hitzewelle 2003 sind an die 35’000 Menschen zusätzlich zur normalen Mortalitätsrate gestorben und man muss in der europäischen Geschichte bis ins 14. Jahrhundert zurückgehen, um ein Naturereignis zu finden, das mehr Menschenleben gekostet hat. Im Sommer 2003 starben viele Menschen an den Folgen von Dehydrierung.» Andere Anpassungen betreffen die Arbeitszeiten und das Arbeitspensum. Eberhard Parlow: «In mediterranen Ländern macht man nicht umsonst Siesta. Das ist bei uns nicht üblich und zum Teil sogar verpönt und vom Arbeitgeber nicht gern gesehen. Aber es würde helfen…»

    JoW

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